Spiel mit Licht und Zeit
In Michael Schumachers Arbeit scheint das Ironie-Prinzip
der Postmoderne auf den Punkt gebracht und zugleich aufgehoben.
Denn Ausgangspunkt aller modernen Kunst des 20. Jahrhunderts
war die brüske Ablehnung des Ornamentalen. Kein Geringerer
als der Architekt Adolf Loos hatte 1908 in seinem Essay
"Ornament und Verbrechen" den opulenten Stuck
der Wiener Ringstraßenarchitektur geradezu als ein
Symbol verkommener Ästhetik und krimineller Vergeudung
menschlicher Produktkräfte angeprangert.
Das Thema Michael Schumachers ist nun ausgerechnet dieser
vielgeschmähte Stuck.
Zuweilen zitiert er die Formvorräte der Gründerzeit
fast wörtlich. Aber er stellt sie in Zusammenhänge,
die sie als Relikte einer längst erloschenen Kultur
erscheinen lassen. Zugleich sind diese Rückgriffe jedoch
eng vernetzt mit einigen der radikalsten Kunstprinzipien
nach 1945 - etwa der informellen Technik von Lucio Fontana
oder Günther Uecker: Eine Reduktion der Mittel, die
nicht einmal mehr Farbe zuließ, sondern ausschliesslich
den Wechsel des Lichtes selber, die Kontraste zwischen Helligkeit
und Schatten auf der weissen Fläche.
Eine Grenze zwischen Ernst und Ironie, Zitat, Verfremdung
und Innovation ist so nur schwer zu ziehen. Denn Michael
Schumacher ist trotz aller Dinstanz kein Spieler. Er hat
das Stukkateurshandwerk von Grund auf gelernt, ehe er es
durch ein Studium der Bildhauerei an der Müchner Akademie
ergänzte. Als Restaurator hatte er zudem Gelegenheit,
die alten Techniken am Original zu prüfen und zu üben.
Entsprechend souverän balanciert er heute auf einem
extrem schmalen Grat: zwischen traditionellem Kunsthandwerk
und dessen Überführung ins Abstrakt-Ästhetische
- in junge, selbstbewusste Kunst.
Klaus Jörg
Schönmetzler
Kulturreferent des Landkreises Rosenheim
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Pressetext
Michael Schumacher (geb. 1963) lebt und arbeitet
in Bernau am Chiemsee. Nach der Meisterschule im Stukkateurhandwerk
in Nürnberg absolvierte er das Studium der Bildhauerei
an der Akademie der Bildenden Künste in München,
wo ihn Prof. Olaf Metzel zum Meisterschüler erwählte.
Faszinierend bei Michael Schumacher sind seine
Wandreliefs. Wassertrofen auf einer Glasscheibe inspierieren
den Künstler zu einer neuen Komposition, in der er
die Illusion plastisch auf ein Halbrelief bringt. Oder Schilfhalme,
die sich willkürlich wieder zu einem neuen strukturierten
Geflecht auf den Flächen plastifizieren lassen. Schon
in der Skizze wird die Anregung aus der Natur zu einer Bildkomposition
in einem neuen Rahmen. Durch die unterschiedliche Zusammensetzung
von Materialien, Flächen und Formen mit scharfen oder
weichen Konturen, erhaben oder in die Tiefe modelliert,
wird das natürliche Weiß plötzlich zu einem
kontrastreichen lebendigen Licht-Schatten-Spiel.
Monika Steffel
2art Galerie, München
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